Berufsorientierungskonzept der Ernst-Reinstorf-Schule

(Aktualisierte und gekürzte Fassung – Stand: Oktober 2023)

 

1. Allgemeines

Auch wer morgens jagen, nachmittags fischen und abends Viehzucht betreiben möchte, muss heute dazu eine entsprechende Entscheidung fällen, ganz abgesehen davon, ob es möglich wäre die Berufe des Jägers, Fischers oder Landwirtes gleichzeitig zu erlernen und auszuüben, was in unserer von Arbeitsteilung und Spezialisierung geprägten Gesellschaft nicht gerade dem üblichen Lebensweg entspräche. In früheren Zeiten wurde diese Entscheidung den Heranwachsenden nicht abverlangt, die Eltern – besser: die Väter, der eigene Stand oder der Gutsherr wiesen den Platz im Leben zu.

Heute hat die Schule unter anderem die Aufgabe erhalten die „Berufswahlkompetenz“ und die „Ausbildungsfähigkeit“ der Kinder und Jugendlichen zu stärken und sie zu selbständigen und eigenverantwortlichen Entscheidungen in punkto Berufswahl zu befähigen, auch wenn eine Reihe von Punkten nach wie vor strittig sind. Dabei geht es oft weniger um die Frage, ab welchem Alter die Kinder und Jugendlichen mit dem „Ernst des Lebens“ konfrontiert werden sollten, als darum, ob oder ab wann eine stärkere Ausrichtung auf bestimmte Berufsfelder erfolgen sollte, z.B. auf die Bereiche Technik, Informatik, Naturwissenschaften oder Gesundheit und Soziales.

 

2. Wodurch wird die Berufswahl von Jugendlichen beeinflusst?

Die Erfahrungsräume von Jugendlichen unterliegen dem gesellschaftlichen Wandel, nach wie vor spielen das Elternhaus und die Schule jedoch eine große Rolle. Seit den 2000er Jahren nehmen der Einfluss des Medienkonsums und dabei speziell von Social Media und des Internets zu: wenn in der 7. oder 8 Klasse SchülerInnen „Youtuber“ oder „Influencer“ als Berufswunsch angeben, wird dies deutlich. Die für die Berufswahl wichtigen Interessen und Vorlieben verlaufen oft in eingeschränkten Bahnen und bleiben im privaten Umfeld bisweilen unentdeckt. Hier ist es die Aufgabe von Schule, ihren Schülerinnen und Schülern neue Erfahrungsräume zu eröffnen, zum Beispiel in Form von Projekten, Arbeitsgemeinschaften, Wahlpflichtkursen, Firmenmessen oder Praktika.

Schule ist zudem nach wie vor mit Leistungsanforderungen, Bewertungssituationen und Ausleseprozessen verbunden – was gerne vergessen wird: mit ihr werden die gesellschaftlichen Verhältnisse reproduziert und in ihr werden sie abgebildet. Die in der Schule gemachten Erfahrungen spielen bei der Entscheidung, welcher Beruf oder welche weiterführende Schule angestrebt werden soll, auch dahingehend eine Rolle: zu den Erfahrungen gehören die Bewältigung oder Nichtbewältigung schulischer Anforderungen, die unterschiedlichen Schulnoten in den jeweiligen Fächern, das festgestellte Arbeits- und Sozialverhalten und letztlich auch der erreichte Schulabschluss. Die eigenen Vorbilder oder Vorlieben oder die Menge natürlich nur gut gemeinter Ratschläge von Erwachsenen stoßen oft auch noch an die Grenzen des Ausbildungsmarktes, seinen Trends und konjunkturellen Ausprägungen: dass angehende Kfz-Mechatroniker weniger gefragt sind als Anlagenmechaniker für den Heizungsbau spricht sich unter Jugendlichen durchaus rum.

Die letztlich hinzukommenden Ängste und Hoffnungen machen die Berufswahl oder die Wahl einer weiterführenden Schule dann zu einer sehr komplexen Entscheidungssituation, vor der es zumindest mit dem Sekundarabschluss I auch kein Entrinnen gibt und nach der viele froh sind, sie irgendwie überstanden zu haben.

 

3. Ziele der Berufsorientierung

3.1. Berufsorientierung als Teil der Allgemeinbildung und fächerübergreifende Aufgabe

Schule hat aktuell den Anspruch Jugendlichen eine selbständige und zugleich rationale – d.h. nachvollziehbare und weitestgehend bewusste – Berufs-, Schul- oder Studienwahlentscheidung zu ermöglichen. Dazu gehört das Fördern des zur Berufswahl notwendigen Willens und der damit verbundenen Eigeninitiative, das Fördern einer realistischen Selbsteinschätzung im Verhältnis zu den erwartbaren Anforderungen der Ausbildung oder weiterführenden Schule (“realistische Anschlussperspektive”) und das Fördern notwendiger Kulturtechniken, die nicht nur für das Gelingen des Bewerbungsprozesses, sondern auch für das Meistern des Überganges ins Berufsleben wichtig sind.

Da Schule die Anschlussfähigkeit der Heranwachsenden für das Berufsleben zu einem wichtigen Ziel hat, geht es von Klasse 1 bis 10 immer auch um berufsvorbereitende Maßnahmen und um einen Berufsorientierungsprozess – an ihm wirken alle Fächer und an der Schule Beteiligten in einem allgemeinbildenden Prozess mit: die Berufswahlkompetenz und die Ausbildungsfähigkeit

(“Berufswahlreife”) der Jugendlichen bilden sich – so der Idealfall – aus diesem langwierigen Gesamtprozess heraus, an dem die Schule gemeinschaftlich arbeitet.

Einzelne Fächer leisten dabei auch ganz gezielte Beiträge zum Prozess der Berufsorientierung und damit auch zu deren konkreten Zielen.  An der Ernst-Reinstorf-Schule sind dies beispielsweise die folgenden Fächer:

FachBeitrag zur Berufsorientierung
 

Deutsch

 

– Grundlagen der Berichterstellung
– Hilfe beim Erstellen des Praktikumsberichtes
– Erstellen eines Lebenslaufs
– Formulierung von Bewerbungsschreiben
– Erörtern der Grundlagen und Abläufe einer Bewerbung
Mathematik– Berufsbezogene Sachaufgaben
– Diagramme erarbeiten
– Maßeinheiten und deren Umrechnung
– Übungen mit dem Taschenrechner
Werte und Normen/
Religion
– Reflektieren über das Thema Lebensplanung/ Lebenssinn
– Projekt „Mein Lebensweg“ – Wie stelle ich mir meine Zukunft vor?
– Arbeit im Spannungsfeld von Familie, Umwelt und Individuum
– Arbeit als Konfliktfeld (Streiks, Ausbeutung, Ursachen von Ungleichheit)
– Lebenskrisen und ihr Bezug zur Arbeit
Politik– EU-Recht (z.B. die Vier Freiheiten)
– Grundlagen des Sozialstaates
– Beschäftigungsverhältnisse/ Lohnformen/ prekäre Arbeit
Geschichte– Industrielle Revolution/ Veränderungen in der Landwirtschaft
– Berufe im Verlauf der Geschichte
– Wirtschaftskrisen
Erdkunde– Globalisierung
– Tourismus als Wirtschaftsfaktor
– Landwirtschaft
– Standortfaktoren
Informatik– Arbeit mit MS-Word/ Excel
– Grundlagen des Internets/ Internetanwendungen
Arbeit und Wirtschaft– Zentrales Fach der Berufsorientierung
– Durchführung der Betriebspraktika
– Durchführung der Betriebserkundungen
NAWI– Vorstellen von Berufen im MINT Bereich
– Exkursionen
WPK Blog/ Jahrbuch– Grundlagen des Online-Journalismus
– Grundlagen MS-Office
Profilfächers.u.

 

3.2. Übergeordnete Ziele der berufsorientierenden Maßnahmen

Die Ernst-Reinstorf-Schule verfolgt durch eine Reihe konkreter Maßnahmen die Berufsorientierung und damit die selbständige und bewusste Berufswahlentscheidung ihrer Schülerinnen und Schüler zu fördern. Die Maßnahmen sollen als Fixpunkte dienen, an der die Berufsorientierung besonders sichtbar wird.

Die folgenden vier Ziele stehen bei unseren berufsorientierenden Maßnahmen im Vordergrund:

  • 1. Das Wissen um wichtige Berufsfelder und dazu gehörende Berufe, über Ausbildungsmöglichkeiten und weiterführende Bildungsgänge erweitern.
  • 2. Strategien und Arbeitstechniken zur selbständigen beruflichen Orientierung vermitteln.
  • 3. Selbsterkenntnis und positive Selbstwahrnehmung fördern: individuelle Stärken erkennen und sie in Bezug zu den möglichen Anforderungen im Beruf setzen können.
  •  4. Berufspraktische Erfahrungen sammeln und reflektieren.

 

3.3. Gliederung der berufsorientierenden Maßnahmen: 4 Säulenmodell

Die einzelnen Maßnahmen und Verfahren lassen sich in vier unterschiedliche Säulen gliedern. Sie bilden das Gerüst, auf dem die Berufsorientierung an der Ernst-Reinstorf-Schule umgesetzt wird:

  • I. Beratung – Berufswegeplanung – Bewerbungstraining
  • II. Berufsmessen und Exkursionen
  • III. Wahlpflichtkurse und Profilkurse – Fachunterricht Arbeit und Wirtschaft
  • IV. Praxiserfahrung

 Die vier Säulen unterliegen einem Prozess, in dem jede Maßnahme regelmäßig auf den Prüfstand in Bezug auf die erklärten Ziele gestellt wird. In diesen Prozess werden unsere Schülerinnen und Schüler als Hauptakteure, deren individuelle Stärkung immer im Vordergrund steht, mit eingebunden.